Eigentlich klang es nur wie eine Formalie: Bevor man die Entscheidung im Stromnetz-Verfahren verkünde, wolle man erst noch die anstehende kleine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) abwarten, hieß es Ende letzten Jahres beim Berliner Senat. Diese Entscheidung hat nun womöglich weitreichende Folgen. Denn aller Voraussicht nach wird Vattenfall nun gerichtlich gegen die Netz-Vergabe vorgehen. Der alte Netzbetreiber hat eine sogenannte Verfahrensrüge ausgesprochen, die wahrscheinlich zu einer deutlichen Verzögerung des Verfahrens führen wird.
Neues Gesetz in Kraft getreten
Aber der Reihe nach: Im Dezember 2016 hatte der Finanzsenator erklärt, dass die Vergabeentscheidung über das Stromnetz erst im Februar, nach Inkrafttreten des neuen EnWG getroffen werden soll. Diese Gesetzesänderung erlaubt es den Bietern für das Netz, mögliche juristische Schritte gegen das Konzessionsverfahren in Zukunft nur noch in einem relativ kurzen Zeitfenster einzuleiten. Bislang konnten Bewerber auch noch Jahre nach Abschluss eines Verfahrens gegen dieses klagen. Als Anfang Februar das neue Gesetz in Kraft trat, begann die Frist für solche Einwände gegen das Netz-Verfahren (im konkreten Fall gegen die Vergabekriterien) zu laufen.
Monatelange Verzögerung des Verfahrens droht
Vattenfall hat nun offenbar entschieden, gegen das Berliner Stromnetz-Verfahren vorgehen zu wollen. Während die landeseigene Berlin Energie und auch unsere Bürgergenossenschaft das Verfahren nicht angreifen, hat Vattenfall eine sogenannte Verfahrensrüge ausgesprochen. Wenn der Senat die dort von Vattenfall kritisierten Punkte nicht binnen kurzer Frist aus der Welt schafft, kann das Unternehmen beim Berliner Landgericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen und die Weiterführung des Konzessionsverfahrens blockieren. Eine Vergabeentscheidung wird es dann erst geben, wenn die Gerichte entschieden haben. Dies kann unter Umständen monatelang dauern, zumal nach dem Urteil des Landgerichts vermutlich auch noch die zweite Instanz, das Berliner Kammergericht, angerufen wird. Sollte Vattenfall vor Gericht Recht bekommen, müsste das Verfahren im schlimmsten Fall sogar zurückgesetzt und erneut wiederholt werden — was eine jahrelange Verzögerung und hohe Kosten für Berlin bedeuten würde.
Vattenfall auf Konfrontationskurs
Noch ist zwar nicht endgültig klar, ob Vattenfall nach der Rüge auch tatsächlich vor Gericht zieht. Es spricht allerdings Vieles dafür, denn eine Verfahrensrüge spricht üblicherweise nur aus, wer auch anschließend vor Gericht will. Auch zum Inhalt seiner Rüge schweigt der Konzern eisern. Doch die Rüge Vattenfalls zeigt, dass man dort ab jetzt wohl mit härteren Bandagen kämpfen wird. Hatte sich Vattenfall in den letzten Jahren eher kompromissbereit gegeben, stehen die Zeichen nun offenbar auf Konfrontation. Ein Gerichtsverfahren gegen die Netzvergabe würde eine offener Konflikt zwischen Vattenfalls auf der einen und dem rot-rot-grünen Senat und den Berlinern auf der anderen Seite bedeuten.
Bürgergenossenschaft geht nicht vor Gericht
Wir als BürgerEnergie Berlin haben übrigens entschieden, keine Verfahrensrüge auszusprechen, obwohl wir insbesondere die Vergabekriterien in der Vergangenheit scharf kritisiert hatten. Doch vor Gericht ziehen und damit eine weitere monate– oder gar jahrelange Verzögerung des Verfahrens auslösen? Das kann nicht im Sinne der Stadt und der Berliner/innen sein, meinen wir. Ein verantwortungsvoller Bieter muss sich da anders verhalten! Daher haben wir zwar unsere Kritik am Verfahren gegenüber dem Senat noch einmal deutlich formuliert, aber auf die Rüge verzichtet.
Bei Vattenfall sieht man dies offenbar anders. Im Konzern schert man sich sichtlich wenig darum, ob die Berliner/innen noch länger auf die Netz-Entscheidung warten müssen. Kein Wunder: Da Vattenfall das Stromnetz bis zum Ende des Verfahrens kommissarisch weiterbetreibt, verdient das Unternehmen Monat für Monat gutes Geld mit dem Netz. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…!
Ist Vattenfall Partner oder Gegner Berlins?
Wie es nun mit dem Stromnetz weitergeht, werden die nächsten Wochen zeigen. Bis spätestens Anfang April muss Vattenfall einen einstweiligen Verfügungsantrag stellen. Damit zeigt sich dann auch, ob der Energiekonzern tatsächlich ein Partner für Berlin sein will, wie er gern behauptet — oder ob er nicht doch ein Gegner ist.
Mehr zur Verfahrensrüge Vattenfalls im Berliner »Tagesspiegel« und im »Energate-Messenger«.