Nun ist es offiziell: Der Energiekonzern und Noch-Betreiber des Berliner Stromnetzes Vattenfall zieht gegen das Konzessionsverfahren vor Gericht. Was sich bereits seit einigen Wochen angekündigt hatte, wird nun Realität — bittere Realität, muss man leider sagen. Denn die Folgen für die Neuvergabe des Berliner Stromnetzes sind verheerend: Aller Voraussicht nach wird es noch mehrere Jahre dauern, bis endlich Klarheit über unser Netz herrscht.
Mehr als 200 Verfahrensrügen
Wie Anfang März berichtet, hat der Vattenfall-Konzern im Verfahren um die Stromnetzkonzession mehrere Verfahrensrügen eingereicht, mit denen er die Wertungskriterien bemängelt. Mittlerweile ist durchgesickert, dass es sich dabei wohl um mehr als 200 einzelne Rügen handelt. Finanzsenator Kollatz-Ahnen hat sich davon jedoch offenbar nicht beeindrucken lassen und die Rügen vor wenigen Tagen mit einem sogenannten »Nichtabhilfeschreiben« beantwortet. Hinter diesem juristischen Fachbegriff versteckt sich die Aussage, dass die Senatsfinanzverwaltung die Beschwerden Vattenfalls nicht teilt und dementsprechend auch nicht darauf eingehen wird.
Vattenfall wird vor Gericht ziehen
Für Vattenfall läuft nun eine Frist von 15 Tagen, innerhalb der das Unternehmen beim Berliner Landgericht einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen kann, wenn es an seiner Verfahrenskritik festhalten will. Dass man dies auch tun wird, hat ein Sprecher von Vattenfall auf Nachfrage der Berliner Morgenpost bereits bestätigt. Damit ist klar: Das Stromnetz-Verfahren landet vor Gericht. Das muss dann entscheiden, ob die Kritik Vattenfalls berechtigt ist oder ob das Verfahren wie von der Finanzverwaltung geplant fortgesetzt werden kann.
Jahrelange Verzögerung der Netzvergabe
Zumindest ein Ergebnis dieses Prozesses steht schon jetzt fest: Die Stromnetz-Vergabe wird sich gewaltig verzögern. Schon ein Urteil des Landgerichtes wird wohl bis Jahresende auf sich warten lassen. Aller Voraussicht nach wird die unterlegene Partei dieses nicht anerkennen, sondern auch noch die nächste Instanz anrufen. Bis zum Ende des Gerichtsverfahrens jedoch darf das Konzessionsverfahren nicht weitergeführt werden. Doch selbst dann droht möglicherweise weiterer Ärger: Gewinnt Vattenfall in der zweiten Instanz, muss das Konzessionsverfahren wohl zumindest teilweise wiederholt werden. Gewinnt das Land Berlin, folgt der nächste Schritt: Die Vergabeentscheidung — und sollte diese negativ für Vattenfall ausfallen, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das nächste Gerichtsverfahren folgen.
Je nach Verlauf der Prozesse werden wir also mit einer Verzögerung von mehreren Jahren rechnen müssen; wie viele es genau werden, lässt sich heute kaum abschätzen.
Die Gerüchteküche brodelt
Einige Spekulationen hatte es in den letzten Tagen über die Frage gegeben, was die Entscheidung des Finanzsenators, die Rügen gegen die Kriterien und diejenigen gegen die spätere Vergabeentscheidung voneinander zu trennen, zu bedeuten habe. Denn theoretisch hätte Kollatz-Ahnen alle Rügen sammeln und dann in einem Gerichtsverfahren bündeln können; doch der entschied sich, nach eigener Aussage »im Sinne der Rechtssicherheit«, für die zweistufige Variante. Die Einen sahen in dieser Entscheidung einen Hinweis, dass Vattenfall im Stromnetz-Verfahren vorne liegen könnte, die Anderen das genaue Gegenteil. Letztlich bleibt all dies also im Bereich des Spekulativen.
Netzkauf-Kampagne wird zum Marathon
Vattenfalls Gang vor Gericht hat natürlich nicht nur gravierende Folgen für die Vergabe des Netzes, sondern auch ganz direkt für unsere Genossenschaft. Statt einige Monate werden wir nun womöglich noch etliche Jahre um das Netz ringen müssen. Wir müssen also gewaltiges Durchhaltevermögen beweisen. Oder anders formuliert: Aus unserer Netzkauf-Kampagne wird ein echter Marathonlauf. Dass wir dennoch nicht aufgeben, ist für uns trotzdem völlig klar. Stattdessen stellen wir uns nun auf den vor uns liegenden Langstreckenlauf ein. Um den Marathon durchhalten zu können, brauchen wir jedoch unbedingt Ihre Hilfe: Wenn wir auch in den kommenden Jahren weiter für das Netz in Bürgerhänden kämpfen wollen, müssen wir unsere Arbeit auf solide Füße stellen. Denn den Netzkauf-Marathon werden wir nur durchhalten, wenn wir langfristig planen können. Und dafür brauchen wir Ihre regelmäßige Unterstützung! Egal ob 5, 10 oder 50 Euro im Monat — jeder Betrag hilft, damit wir unabhängig und streibar bleiben können. Deswegen bitten wir Sie: Werden Sie Netzkauf-Förderer oder –Förderin:
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Wir hoffen auf Ihre Unterstützung! Denn wenn die Energiewende (und die letzten Monate zeigen mehr denn je, wie sehr dies auch für die Demokratie gilt) gelingen soll, dann braucht es eine aktive, kritische und verantworungsbewusste Zivilgesellschaft, die sich engagiert und einmischt. Wir möchten das sein — und wir hoffen sehr, dass Sie dabei sind.