„Wir wollen das Berliner Stromnetz kaufen. Als Bürger: innen. So wie ihr damals. Kann das klappen, oder sind wir verrückt?“, so wandten Luise und ich uns 2011 in den Anfangstagen der Gründung der BürgerEnergie Berlin an Michael Sladek und die Elektrizitätswerke Schönau. „Das ist verrückt. Das kann klappen. Und natürlich helfen wir euch!“, war die Antwort von Michael und Ursula Sladek, und so lernten wir die Stromrebellen der ersten Stunde kennen.
Michael gehört wohl zu den wichtigsten Wegbereitern der Bürgerenergie Bewegung in Deutschland. Er war als Mitgründer der Elterninitiative gegen Atomkraft in Schönau, aus der mit den Elektrizitätswerken Schönau einer der größten unabhängigen Ökostromanbieter Deutschlands wurde, ein Pionier der Energiewende, ein Kämpfer für gesellschaftliche Teilhabe, ein Streiter für Augenhöhe von Bürgerenergieprojekten in der Energiewirtschaft. In seinen Nachrufen wird deutlich, wie viel die Bürgerenergiebewegung ihm zu verdanken hat, und sicherlich könnte man seine ansteckende Begeisterung für die Bürgerenergie umrechnen in Tage, Wochen, Monate, Jahre, um die er die Verbreitung der erneuerbaren Energien in Deutschland beschleunigt hat – in tonnenweise Emissionen, die sein Handeln vermieden hat – in Herzen und Hände, die er für den Klimaschutz und die Energiewende bewegt hat.
Seine Lebensleistung um die Energiewende ist Vermächtnis, Inspiration, Ansporn. Die Stationen seines langen, engagierten Lebens haben andere schon treffend nachgezeichnet und gewürdigt. Wir möchten diesen Raum nutzen, um einige persönliche Erinnerungen an Michael zu teilen und unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.
„Die Ohnmacht ist es, die alles lähmt.“ Das Gefühl der Überwältigung, der Übermacht der Herausforderung, zu überwinden – dieses Anliegen zeichnete Michael aus, und war immer wieder der Kern seines Handelns. Es ist leicht, sich angesichts der Klimakrise, der Größe der Herausforderung der Energiesystemtransformation oder der Handlungsmacht derjenigen, deren Geschäftsmodelle und politischen Programme noch immer das fossile Energiesystem befeuern, ohnmächtig zu fühlen. Und wer ohnmächtig ist, kann nicht handeln. Wer nicht handeln kann, kann keine Veränderung gestalten.
Immer wieder ging es Michael deshalb darum, für sich selbst, den Einzelnen und die Gemeinschaft die Ohnmacht zu überwinden und sich ins Handeln zu bringen. Beharrlich suchte er dabei immer wieder die Verbindung zwischen der unmittelbaren Handlung und der politischen, der systemischen Veränderung. Denn Michael war klar: Wer handeln kann, hat Macht. Und um eine Neuverteilung der Macht ging es ihm im Energiesystem und im Klimaschutz immer. Nie war damit aber seine individuelle Macht gemeint, sondern immer ging es darum, als Bürger: innen und Gesellschaft gemeinsam wieder Macht zu erlangen über die verantwortungsvolle Gestaltung unserer Wirtschaft. Unmittelbar damit verbunden war Michaels Überzeugung, dass ein großes Ziel in kleine Schritte zerlegt, erreichbar wird. Nicht auf das große Ziel zu gucken und verzweifeln, sondern erstmal auf den nächsten Schritt. Das war Michaels Überzeugung und das war auch unsere Erfahrung in der BürgerEnergie. Nicht ohnmächtig zu bleiben, sondern der eigenen Ohnmacht mit dem eigenen Handeln zu begegnen und sie dadurch Schritt für Schritt zu überwinden, dieses Motiv und dieser Wunsch war es, der uns in der Gründung der BürgerEnergie mit Michael und der Familie Sladek verband, und diese gemeinsame Überzeugung ist es, für die wir Seite an Seite mit Sebastian und Alexander und der EWS weiter streiten.
„Diesen alten Energiesystemdinosaurier pieken, dass er aufjault!“ Michael war nicht jemand, der leicht den Mut verlor, er war aber auch nicht naiv.
Er hatte den Widerstand der Energieunternehmen unmittelbar erfahren und war ein kampfeslustiger Streiter, wenn es darum ging, auch den Großen der Energiewirtschaft und Energiepolitik entgegenzutreten. Der Schalk lachte aus seinen Augen, als er mir erzählte, es mache ihm schon auch Spaß – der Streit mit der alten Energiewelt. Dass ihm der Spaß nicht verging, und dass wiederum sein Gegenüber im Streit mit ihm bei der Sache blieb, lag auch daran, dass Michael eine konstruktive, empathische Streitkultur lebte, pflegte und von seinen Mitstreitern verlangte. Michael war seinem Gegenüber, auch im Streit, aufrichtig und empathisch aufgeschlossen. Er hatte die Minderheitsposition kennengelernt und vergaß sie auch nicht, wenn er Mehrheiten gewonnen hatte, sondern blieb bei der Diskussion um die Sache respektvoll und argumentationsorientiert. Die BürgerEnergie Berlin wurde aus dem Wunsch heraus gegründet, nicht einfach „gegen“ etwas zu sein, sondern für eine andere Umsetzungsmöglichkeit einzutreten. Es war auch diese Basis, die uns mit Michael verband, die wir in gemeinsamen Aufsichtsratsrunden immer wieder betonten, um den nächsten Schritt zu planen und an die er erinnerte, wenn im politischen Streit der Ton rauer wurde. Und immer wieder war es auch Michael, der dafür sorgte, dass wir den Spaß nicht verlieren.
„Ich muss es nicht allein tun. Da ist die Gemeinschaft, die mich trägt.“
Michael und die Mitstreiter: innen der EWS spürten von Anfang an: Die Gemeinschaft ist der Kern der Bürgerenergie. Was allein zu groß erscheint, gelingt zusammen. Aber auch: Wenn einer den Mut verliert, sind die anderen da und fangen es wieder auf. Diese Gemeinschaft galt für Michael auch zwischen Bürgerenergieprojekten, und er arbeitete unermüdlich an der Vernetzung und dem Zusammenschluss. Auch hier war klar: Wer Macht umverteilen will, muss sich zusammentun. Die enge Zusammenarbeit der EWS mit der BürgerEnergie Berlin über die Jahre, nicht nur politisch oder in Kampagnen, sondern auch energiewirtschaftlich, ist Ausdruck dieser Überzeugung. Michael trieb jedoch auch den Aufbau bundesweiter Verbindungen voran, woraus das Bündnis Bürgerenergie erwuchs und der Bürgerenergiebewegung heute eine bundespolitische Stimme verleiht.
„Der Blick geht sehr weit.“ Michael war Arzt und Vater einer Großfamilie.
Die EWS begann als Elterninitiative, die nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl dafür eintreten wollte, eine andere, zukunftsfähige Energieversorgung aufzubauen. Enkeltauglichkeit, nannte Michael das, und verband dabei Positionen der Nachhaltigkeitspolitik mit der Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung und Bedürfnis, seinen Kindern und Enkelkindern eine Welt zu hinterlassen, in der ein klimafreundliches Energiesystem konsequent mit Strukturen des gemeinsamen Verhandelns, Wirtschaftens und Entscheidens in der Gesellschaft zusammengedacht wird.
Es war auch dieser Wunsch – zu zeigen, dass es wirklich anders sein kann – der ihn immer wieder Kraft und Energie finden ließ, nicht nur in Schönau immer wieder daran zu erinnern, dass der Energiesystemumbau noch nicht fertig ist, sondern in ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus mit Mitstreiter: innen er Bürgerenergiewende zusammenzuarbeiten. Wir haben davon immer wieder profitieren dürfen, bei seinem Einsatz in der BürgerEnergie oder in der Zusammenarbeit in Forschungsprojekten beispielsweise, und seine Begeisterung steckte an: Selbst den Blick zu weiten, in die Zukunft aber auch für die Gemeinschaft und immer wieder zu fragen – wo kann ich helfen, wie kann mein eigenes Handeln wirken?
Mut kann man spüren, so schrieb Michael in einem Beitrag im Energiewende Magazin der EWS noch diesen Sommer. Seinen Mut haben wir immer gespürt. Er hat unseren eigenen Mut gestärkt. Und wir tragen diesen Mut weiter – in der festen Überzeugung, dass ein anderes Energiesystem möglich ist. Eins, das nicht nur konsequent auf die Erneuerbaren setzt, sondern auch aus unserer Gemeinschaft in der Gesellschaft herausgetragen und gestaltet wird.
Michael, wir danken dir. Wir denken an deine Familie und wünschen ihnen von Herzen Trost und Zuversicht. Wir werden dich nicht vergessen.
Arwen Colell im Namen von Team, Vorstand und Aufsichtsrat der BürgerEnergie Berlin